Vor gar nicht langer Zeit fand ich meine vierzig Jahre alten Marionetten in Dachbodenschachteln. Es gelang mir dann in den Folgemonaten, neue Figuren meist sehr günstig zu ersteigern oder gebraucht zu kaufen. Manchmal werden mir auch Figuren oder Requisiten geschenkt, die ich dann restauriere oder repariere. Um das Medium der Fadenfiguren zu den Kindern in unsere Gruppen zu bringen, musste eine mobile Lösung her: Ein alter Wanderkoffer und ein nicht mehr benötigtes Regal bildeten die Grundelemente. Mein Ziel war es, eine einfache Marionettenbühne zu bauen. Das Besondere dabei: Eigentlich bin ich nicht gerade handwerklich geschickt ;-). In der Folge des Projekts ist das eigentlich ein Schwerpunkt unseres Strebens:

Ob Erwachsene oder Kinder, es ist nicht so wichtig, ob man etwas perfekt kann. Entscheidend ist, dass man Mitmachen möchte und Spaß dabei hat, eigene Fähigkeiten, von denen man vorher gar nicht so recht wusste, Schritt für Schritt zu steigern.

Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts ist, das es mit einfachsten Mitteln durchgeführt wird. Damit vermitteln wir Kindern aus vermehrt finanziell schwachen sozialen Verhältnissen spielerisch Erfolgserlebnisse auch dann, wenn kein großer Etat zur Verfügung steht. Wir hoffen, dass diese Erfahrungen die Kinder auch in anderen Bereichen ihres Lebens ermutigt.

Inzwischen erwischen wir Beteiligten uns immer häufiger dabei, wie wir Gebrauchtes oder Defektes dahingehend betrachten, ob wir es nicht für irgendeine schöne Szene unserer Bühnenbilder gebrauchen können! Und gelegentlich beteiligten sich jetzt auch Künstler*innen an den Folgen. Da verstecke ich dann ab und zu ein Bild an der Wand oder was mir sonst noch so einfällt und die Mitmachenden können ihr Kunstwerk in einem Film „entdecken“.

In die alten, aber noch immer schönen Regalsäulen schlug ich Schraubenfassungen, damit die Teile dann aus dem Koffer heraus zusammengeschraubt werden können. In Unterbodenleisten, die von der Länge her ebenfalls in den Koffer passen, werden die „Theatersäulen“ eingeschraubt:

Der Koffer wird nun ebenfalls in das Theater integriert. Wie du siehst, passt er recht gut zwischen das Säulengestell. Hm, wie könnte man noch ein wenig mehr daraus machen?

Um das Säulengestell zu stabilisieren und später Leisten für die Vorhänge zu haben, sägte ich entsprechende Hölzer zurecht. Mit den alten Regalabschlusshölzern können die Leisten zudem festgeschraubt werden. Ein faltbares Brett wird schließlich als Bühnenboden dienen und durch den Mechanismus in den Koffer passen!

Welche Farbe hat eigentlich ein Marionettentheater? Nun, ich malte nun weitere Zierteile blau an, um sie später mit einem roten Theatervorhang zu kombinieren. Auch der Zierdeaufsatz sollte am Ende faltbar sein…

Allmählich nahm das kleine Koffertheater Gestalt an. Damit die Figuren auf der Holzbühne nicht zu sehr klappern, klebte ich die Reste von einem Teppichboden darauf. Auch bekam das Säulengestell nun seine Seitenvorhänge. Das ist Recycling und Upcycling, die so viel Freude macht!

Aus einem „edlen“ Samtstoff nähte mir Frau Hardt, Mitarbeiterin unseres Fachdienstes und Lebengsgefährtin, die passenden Vorhänge für das Koffertheater. Mit ein paar Gardinenbommeln zum Aufziehen des Vorhangs und einer versteckten Beleuchtung ist das Koffertheater so gut wie fertig! Und so sieht das dann aus, wenn sich der Vorhang für den alten Teppichboden, der die Welt der Puppenschauspielerei bedeutet, öffnet:

Das Besondere am Theater ist nun, dass alle Teile in den wunderbaren Theaterkoffer meiner Tante passen! Los, hinein damit:

…und schon sind wir bereit, um auf Wanderschaft in die Gruppen zu gehen.  Noch schlummert der Koffer leise vor sich hin, doch wenn du nah genug herangehst, hörst du vielleicht schon die Märchenfiguren kichern und flüstern. Sie freuen sich schon darauf, dir die abenteuerlichsten Geschichten vorspielen zu können.

Das ist das Wunder des Theaters: Träume erwachen für die Zeit, in der sich der Vorhang öffnet, zum Leben…

Inzwischen arbeiten wir zur Verfilmung von Abenteuer in Flaggenstein mit einer kleinen Bühne auf einem Dachboden. Weil alles aufwendiger und künstlerischer wird (schau dir die Entwicklung in den Folgen an!), dauert es halt alles deutlich länger. Leider hat uns auch die Corona-Pandemie ausgebremst. Fertigstellen werden wir den Film aber trotzdem. Es ist immer so schön, wenn die Kinder und Erwachsenen fragen, ob die nächste Folge schon fertig ist. Also weiter, weiter …

(c) Michael Kästner